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Ein altes Foto
Die Einhorn-Apotheke um 1900, ohne Schaufenster
Zeitungsanzeige
Zur Schließung nach 304 Jahren


Rita Maria Fust
Engel, Adler und Einhorn
Die ersten Apothe­ken Lipp­stadts und ihre Geschichte


(Eine Zusammenfassung des Heimat­blätter-Beitrags von Rita Maria Fust, 2017 – hier: aktuali­siert und ergänzt im Juli 2023)

Die Engel-Apo­theke, 1625 bis 1993

Die erste urkund­liche Er­wähnung eines Apo­the­kers in Lipp­stadt stammt aus dem Jahr 1625 – der Stadt-Apo­the­ker legte einen Bürger­eid ab und wurde spä­ter im Kirchen­buch er­wähnt. Die Stadt-Apo­theke be­fand sich – laut Carl Lau­manns nach münd­licher Über­lie­fe­rung – im heute unter dem Namen Matten­klott-Haus an der Rathaus­straße 2 be­kann­ten Ge­bäude. Laumanns leitet da­raus die Ver­mu­tung ab, dass die Stadt-Apo­theke schon vor 1625 ent­stan­den sein könnte, viel­leicht sogar schon 1603, da das heu­tige Matten­klott-Gebäude in diesem Jahr fertig­ge­stellt wurde. Ob aber die Fertig­stel­lung des Hau­ses als ein Beleg für das Vor­handen­sein einer Apo­theke ge­wer­tet wer­den sollte, ist an­zu­zweifeln.

Die Stadt-Apo­theke wurde laut Lau­manns auch Rats-Apo­theke ge­nannt. 1720 taucht erst­mals der Name Engel-Apo­theke für diese Apo­theke auf, ver­mut­lich im Rahmen des Um­zugs aus dem Matten­klott-Haus an die Lange Straße 28, Ecke Post­straße (heute Targo-Bank). Die Engel-Apo­theke schloss am 31.12.1993.

Foto

Der Engel der Apotheke:
Im Rahmen der Schließung der Stifts­kirche (heute Stifts­ruine) im Jahr 1831 kaufte der dama­lige Apo­the­ker aller­lei Kirchen­inven­tar, u.a. den Engel, der zum Wahr­zeichen der Engel-Apo­theke wurde. Dieser ver­schwand – wohl im Zuge der Schlie­ßung der Apo­theke – und wurde 2013 durch einen Zu­fall wieder­ent­deckt. 2015 wurde eine Re­plik des Engels am an­ge­stamm­ten Platz über der Tür des Ge­bäu­des Lange Straße Ecke Post­straße nebst Info-Tafel im Fenster an­ge­bracht.


Die Adler-Apo­theke, 1684 bis 1806

Es ist nicht viel über die Adler-Apo­theke be­kannt, die bei ihrer Grün­dung im Jahre 1648 Garnisons-Apo­theke hieß. Blickt man mit der Marien­kirche im Rücken in Rich­tung des heu­ti­gen Stadt­palais, wird sich diese Apo­theke rechts davon be­fun­den ha­ben.
Doch nicht doku­men­tierte Um­bau­ten und mehr­mals ge­än­derte Num­merie­rungen er­lau­ben keine genaue Re­kon­struk­tion, wo genau sich die Apo­theke be­fun­den hat.

1806 ver­ließ der dama­lige Apo­the­ker aus unbe­kann­ten Grün­den Lipp­stadt und die Adler-Apo­theke wurde ge­schlos­sen.
Ab 1972 gab es noch eine an­dere Adler-Apo­theke in Lipp­stadt, die nichts mit der ur­sprüng­lichen Adler-Apo­theke zu tun hat. Die neue Adler-Apo­theke be­fand sich von 1972 bis 2005 an der Wolde­mei 24.


Die Einhorn-Apo­theke, 1712 bis 2017

Der Original-Beitrag entstand in Koopera­tion mit Merten Thurmann – aktuali­siert und er­gänzt im Juli 2023.
Die Einhorn-Apo­theke war die dritte Apo­theke Lipp­stadts und be­stand bis zum 31. Mai 2017. Die Ge­schichte der Einhorn-Apo­theke be­ginnt vor 1712 mit einer Bitte, das Privi­leg zur Er­rich­tung einer Apo­theke zu er­teilen. Als eigent­liche Grün­dungs­urkunde gilt die An­ord­nung von WikipediaKönig Fried­rich von Preußen aus dem Jahr 1712.

Vom ersten Tag an be­fand sich die Einhorn-Apo­theke in dem Haus, in dem sie auch bis 2017 war (siehe Foto ganz oben). Das Ge­bäude ist nach dem großen Stadt­brand von 1656 er­baut wor­den und ge­hört damit zu den ältes­ten, erhal­tenen Häusern in Lipp­stadt.


Der Apothekerstreit (1801-1806)

In den ersten Jahren des 19. Jahr­hun­derts kämpf­ten die In­haber um den Fort­bestand ihrer Apo­the­ken, denn im Sieben­jährigen Krieg (1756-1763) und den Folge­jahren war die Ein­woh­ner­zahl so stark ge­sun­ken, dass aus wirt­schaft­lichen Erwä­gun­gen eine der Apo­the­ken schlie­ßen sollte. Aber welche? Zwei waren sich einig: Die dritte – die Einhorn-Apo­theke – solle schlie­ßen.

Der Treppen­witz der Ge­schichte ist, dass aus­ge­rech­net die Einhorn-Apo­theke bis zuletzt über­lebte (bis 2017). Denn wie oben bereits ge­schrie­ben: 1806 ver­ließ der Apo­the­ker der Adler-Apo­theke über­raschend und aus unbe­kann­ten Grün­den die Stadt, worauf­hin seine Adler-Apo­theke ge­schlos­sen wurde.


Zeitungsanzeige
1905: Ladenschluss schon um 21 Uhr


Der letzte Apotheker

1983 kaufte Merten Thur­mann die Einhorn-Apo­theke und konnte so­wohl das 275-jäh­rige als auch das 300-jäh­rige Jubi­läum der Einhorn-Apo­theke feiern.
Zum 31. Mai 2017 schloss die letzte der ältes­ten Apo­the­ken Lipp­stadts nach knapp 305 Jah­ren. Apo­the­ker Thur­mann ver­ab­schie­dete sich mit einer Trauer­anzeige (siehe ganz oben) von sei­nen Stamm­kunden. Das Lessing-Zitat „Es ist Arznei, nicht Gift, was ich dir reiche“, war stets über dem Aus­gang der Apo­theke zu lesen, die letzt­lich zwar nicht nur, aber auch am Gift der Büro­kra­tie ge­stor­ben ist. Es ist ein end­gül­tiger Ab­schluss, der einen letz­ten Punkt hinter die teils turbu­lente Ge­schichte der ersten drei Apo­the­ken Lipp­stadts setzte.

Seit 2018: Café „Apotheke Deli Kaffee“
Der Spruch „Es ist Arznei, nicht Gift, was ich dir reiche“, ist jetzt über­strichen. Er wäre auch unpas­send, denn in den Rega­len der alten Ein­rich­tung (gleich mehr dazu) be­finden sich heute keine Medi­ka­mente mehr, son­dern Ge­schenk­artikel, Süßig­kei­ten und Lecke­reien, Post­karten und andere wunder­schöne Mit­nahme­dinge. In den ehe­mals hinte­ren Räu­men der Einhorn-Apo­theke be­fin­det sich das Café.

Das Gebäude – innen und außen:
Die denkmalgeschützte Ein­rich­tung im neu­goti­schen Stil be­steht aus Eiche und Muskat­baum mit Burgen- und Kirchen­motiven, unter den Zinnen sind vier­blätt­rige Klee­blätter ein­ge­ar­beitet. Die Schnitze­reien sind aus Rosen­holz ge­fer­tigt. Ein Teil der Schub­laden ist mit Por­zellan-Einfas­sungen ver­sehen und ziert noch immer den Ver­kaufs­raum.

Foto

Das Gebäude ist ein Giebel-Fachwerk­bau, das Füll­werk ist aus Stei­nen mit Lehm, Stroh und teil­weise zu­sam­men­ge­hal­ten von Sack­leinen. Die Vorder­front be­steht aus einer Schiefer­be­deckung, wie bei allen Häusern in die­sem Straßen­abschnitt auf der Ost­seite.

Auch die aus Eichen­holz be­ste­hende Ein­gangs­tür steht unter Denk­mal­schutz. In der Mitte der Tür­flügel kann man (wahr­schein­lich) zwei ge­schnitzte Jakobs­muscheln und vier Äskulap-Schlangen sowie ge­schlun­gene Blumen­orna­mente er­kennen.
Die Glasscheibe mit dem Schrift­zug „Einhorn-Apo­theke – Inhaber Merten Thur­mann“ ging (dem Hören-Sagen nach!) bei dem Tornado am 20.05.2022 zu Bruch und wurde eine neue, schlichte Scheibe er­setzt. Ob das Ge­bäude wei­tere Tornado-Schäden er­lit­ten hatte, ist auf­grund seiner Lage zu ver­muten, wurde aber für die­sen Bei­trag nicht recher­chiert.

Von: Rita Maria Fust

Eine detaillierte Rekon­struk­tion der Stand­orte der Apo­the­ken, der Namen, Daten und Werde­gänge der Apo­the­ker und eine schöne Anek­dote über das Wieder­fin­den des Engels der Apo­theke und ande­rer Dinge, die zur Evaku­ierung des Stadt­museums durch den Kampf­mittel­räum­dienst führ­ten, lesen im aus­führ­li­chen Origi­nal-Beitrag.
Sämtliche Quellen­angaben finden sich am Ende des Origi­nal-Bei­trags in den Heimat­blättern!

Aus: Rita Maria Fust: Engel, Adler und Einhorn – Die ers­ten Apo­the­ken Lipp­stadts und ihre Ge­schichte und der Lipp­städ­ter Apo­the­ker­streit (1801-1806). In: Heimat­blätter Lipp­stadt 2017. Seite 17-30.

Lese-Tipp: Die Geschichte der drei Apo­the­ken und ihres Streits fin­den sich eben­falls wie­der in dem his­to­ri­schen Roman: ↗„Die Gunst der Königin“ von Rita Maria Fust, Gmeiner-Verlag 2016.


Ergänzung
Die Nord-Apotheke, 1952 bis 2013

Die ehemalige Nord-Apotheke an der Beckumer Straße ge­hörte zwar nicht zu den histo­ri­schen Apo­the­ken, war aber unse­ren Genera­tionen jahr­zehnte­lang be­kannt. Die Nord-Apo­theke wurde 1952 ein­ge­richtet.

Nach 22 Jah­ren gab der Apothe­ker Walter Kobow das Ge­schäft 1974 an seine Tochter weiter. Die Apothe­kerin lei­tete die Nord-Apo­theke 39 Jahre lang wei­ter, bis zur Schlie­ßung am 31. Dezem­ber 2013.

Der Patriot berich­tete am 16.01.2014: „Aufgrund der neuen Apotheken­betriebs­ordnung wären erheb­liche Umbau­maßnahmen er­forder­lich ge­wesen, die nicht finan­zier­bar waren“, so die Apothe­kerin.

Im Web habe ich die 4. Novelle der ↗Apotheken­betriebs­ordnung von 2012 ge­fun­den, die einen Umbau mit barriere­freiem Zu­gang for­dert und neue Doku­men­tations­pflichten ein­führt, was auch den Weiter­betrieb der Einhorn-Apo­theke ver­hin­derte (2017 ge­schlos­sen).


Eine weitere Seite beschreibt die allge­meine Entwick­lung der Apo­the­ken in Europa seit dem Mittel­alter.

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