Die letzte historische Windhose in Lippstadt ist schon fast 100 Jahre her: sie fegte am 25. Januar 1928 über den Lippstädter Süden hinweg und deckte am Hasenfang 10 Hausdächer teilweise ab. Strom- und Telefonleitungen wurden abgerissen.
Bereits am Mittwoch, dem 18. Mai schrieb der Deutsche Wetterdienst: „Richtig "böse" wird es aber am Freitag ...
Schlussendlich ist auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Tornados deutlich erhöht.“
Am Donnerstag schrieb Tagesschau online, dass es ideale Bedingungen für Tornados geben wird. Vermeiden Sie Aufenthalte im Freien.
Ob und wo genau eine Windhose entstehen wird, ist nicht vorhersagbar. Eine der Voraussetzungen für die Entstehung ist nämlich, dass der Wind quasi spontan Haken schlägt, denn dadurch kommen Rotation und Sog überhaupt erst in Gang. Zudem ist eine Windhose zu klein, im Gegensatz zu einem Hurrikan, als dass man sie überhaupt auf Satellitenbildern oder einem Wetterradar sehen könnte. Für Meteorologen sind Tornados selbst dann nicht sichtbar, wenn sie bereits wüten.
Dass es in Europa am Freitag stürmisch werden würde, war offensichtlich, denn die Temperaturunterschiede waren bereits innerhalb Deutschlands groß: Während es in Rostock 17°C kühl war, war es in Offenburg 34°C heiß. Im kontinentalen Maßstab waren die Unterschiede noch größer.
Am Freitag entwickelte sich ein Sturmtief über Frankreich. In geraden Jahren, wie 2022, erhalten Tiefdruckgebiete weibliche Vornamen. Seit 2002 kann in Deutschland ein Wetterpate eine Namens-Patenschaft übernehmen. Namenspatin für dieses Tief an jenem Freitag wurde die Gasthof-Besitzerin Emmelinde W. aus dem Kreis Olpe. Und so zog das Sturmtief namens Emmelinde von Frankreich über Benelux nach Deutschland.Das unvorhergesehene Ende der über 180 Jahre alten Friedenseiche. |
Auf dem Weg Richtung Hellinghausen wurden mehrere Dächer eines Bauernhofes zerstört und ein Waldstück flächig umgeworfen. In Hellinghausen wurde das Dach des Kirchturms komplett abgerissen und das Dach des Kirchenschiffs wurde angehoben und in Gänze um 30 cm verschoben.
Auf dem Weg Richtung Lippstadt wuchs die Breite der Schadensschneise in der Hellinghauser Mersch auf ihr Maximum von 900 Metern Breite an. Hier kam es zu erheblichen Vegetationsschäden. Ich glaube wir können von Glück reden, dass die Hellinghauser Mersch nicht bebaut ist, denn hier wäre die Menge der Gebäudeschäden vielleicht doppelt so hoch gewesen wie später in der Innenstadt, wo die Breite der Schneise schon auf ca. 600 Meter zurückgegangen war.
Der Tornado zog südlich von Cappel auf den Weinberg und die Udener Straße zu. Die meisten Bäume knickten um, die Dächer des Evangelischen Gymnasiums und der WLE wurden abgedeckt. Im CabrioLi wurden 120 Badegäste eingeschlossen.
An der Friedrichstraße knickten alle Alleebäume ab, das Dach der Friedrichschule wurde teilweise abgedeckt, ebenso wie die Dächer unzähliger Wohnhäuser auf dem gesamten Weg des Tornados.
Nun hatte der Tornado die Lippstädter Altstadt erreicht, verursachte Schäden an Cappeltor und Cappelstraße, an der Nikolaischule, und deckte teilweise das Dach des Stadtmuseums ab. An der nördlichen Langen Straße wurden Dächer abgedeckt und am Rathausplatz wurde die große Friedenseiche entwurzelt. Wie der große und bekannte Baum nun umgekippt auf dem zentralen Platz der Stadt lag, wurde zum Symbolbild des Tornados in Lippstadt.
Das Umwerfen der Friedenseiche war der vorletzte große Kraftakt des Sturms, denn als er die Stadt über den Grünen Winkel verließ,
knickte er dort noch dutzende Bäume ab, aber die Breite der Schneise hatte sich bereits um die Hälfte verringert.
In Esbeck gab es noch einige leichtere Schäden, ebenso in Hörste, wo dieser Tornado (zunächst) endete.
Auf seinem Weg von Eickelborn bis Hörste war der Tornado von West nach Ost durch die Ortsteile fast in der größten Ausdehnung Lippstadts gezogen.
Dabei hat er über 13 km zurückgelegt, in nur 20 Minuten.
Aus der punktuellen Sicht eines einzelnen Augenzeugen kommt es zu einem überraschend starken und
eindrucksvollen Schadensereignis - und nach 30 Sekunden ist der Spuk scheinbar vorbei.
Deshalb finde ich den Titel des o.g. Buchs so treffend.
Auch bei der Windhose von 1928 wurde von einer beobachteten Dauer von nur 30 Sekunden berichtet.
Wir haben Glück gehabt, dass der Tornado größtenteils über unbebautes Gebiet gezogen ist. In einer größeren Metropole wäre man nicht so glimpflich davon gekommen, denn in Lippstadt gab es keine Personenschäden, was bei der großen Anzahl an Vegetations- und Sachschäden wirklich überraschend ist. Glück im Unglück.
Es wird vermutet, dass der Lippstädter Tornado derselbe war, der anschließend in Paderborn wütete. Demnach hätte der Rüssel zwischendurch keine Bodennähe mehr erreicht, wodurch es hinter Hörste zunächst nicht mehr zu Schäden kam. Doch gegen 17:10 Uhr trat er östlich von Salzkotten wieder auf und fegte dann quer durch Paderborn. Dort waren die Schäden größer als in Lippstadt: In Paderborn gab es 43 Verletzte, davon 12 Schwerverletzte.Ein weiterer Artikel beschäftigt sich mit einem anderen Unwetter in Lippstadt, dem Hochwasser von 1965.