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Video: Nachzucht der Knoblauchkröte für die Lippe-Aue
Im Saarland gilt die Knoblauchkröte schon seit 1980 als ver­schol­len (aus­ge­stor­ben), in NRW ist sie vom Aus­ster­ben be­droht.
Der folgende Film des Lippstädter Biolo­gen Peter Rinsche zeigt die aktu­el­len Bemü­hun­gen, die Popula­tion der Kröte in der rena­tu­rier­ten Lippe-Aue wieder zu er­höhen.

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Gefährdete Arten
Amphibien sind die ältesten Landwirbel­tiere, sind aber bei der Fort­pflan­zung noch auf Gewäs­ser ange­wie­sen. Ihre Kaul­quap­pen sind Kiemen-Atmer, denen erst bei der Umwand­lung zum erwach­se­nen Tier Lungen wach­sen, bevor ihr erster Land­gang mög­lich wird.

In Deutschland sind 20 Amphibien-Arten heimisch, davon 7 Frosch-, 5 Kröten-, 2 Unken-, 4 Molch- und 2 Salaman­der-Arten. Den meisten Leuten sind nur der Laub­frosch, die Erd­kröte und der Feuer­salaman­der be­kannt, weil diese weit verbrei­tet sind bzw. waren. Sie stehen unter Arten­schutz: Das Bundes­natur­schutz­gesetz trat 1976 in Kraft; die Rote Liste gefähr­de­ter Arten wurde 1977 ein­ge­führt.

Eine streng geschützte Art ist die Knoblauch­kröte. Sie heißt so, weil sie bei Gefahr ein Sekret abson­dert, das nach Knob­lauch riecht. Unge­wöhn­lich ist auch, dass das kleine Tier ver­sucht, sich mit Kopf­stößen zu ver­tei­di­gen. Die Knob­lauch­kröte wird nur bis zu 8 cm groß und gräbt sich tags­über unter der Erde ein. Erst nachts kommt sie her­vor und geht auf die Suche nach Käfern, Larven, Würmern und Schnecken.

Transkription des Audio-Kommentars

Die Lippe - zwischen Ostwestfalen und Rhein schlängelt sie sich durch die Land­schaft. Ihre Auen halten noch so manches Geheim­nis bereit. Die Knob­lauch­kröte ist solch ein Geheim­nis. Das liegt nicht nur in ihrer heim­lichen Lebens­weise, sondern auch daran, dass es sie kaum noch gibt.

Deshalb ist sie nun in den Fokus der heimi­schen Natur­schutz­bemü­hun­gen ge­rückt. Das von der Europä­ischen Union ge­för­derte Inte­grierte Life-Projekt "Atlan­ti­sche Sand­land­schaf­ten" unter­stützt die Lebens­raum-Optimie­rung, Zucht und Wieder­ansied­lung für diese Art.

Senkrechte Pupillen, rundliches Maul, auffal­lende Grab­schaufeln - daran er­kennt man die Knob­lauch­kröte. Den Namen hat sie einem nach Knob­lauch riechen­dem Sekret zu ver­dan­ken, das sie bei Gefahr ab­son­dert. Zu Gesicht be­kommt man die Knob­lauch­kröte nur ganz selten: sie ist nacht­aktiv und gräbt sich normaler­weise gut einen halben Meter in die Erde ein. Deshalb fühlt sie sich auch in den locke­ren Böden an der Lippe so wohl.

Einst lebte die Knoblauchkröte jedoch in den öst­lichen Steppen­regionen. Erst nach der Eis­zeit wanderte sie Rich­tung Westen und besie­delte weite Gebiete Europas, so auch West­falen. Die Knob­lauch­kröte war früher in Nordrhein-Westfalen in den Sand­gebieten verbrei­tet, über­wie­gend in den Sand­platten im Norden des Landes oder sonst halt in den Fluss­auen von Ems und Lippe, weil da gab es grab­fähige Böden.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte verschwand die Art aber auch in West­falen zuneh­mend, da ihr der Lebens­raum genom­men wurde. Die für sie not­wendi­gen Klein­gewässer wurden zer­stört. Chemie­einsatz und inten­sive Boden­bearbei­tung verän­der­ten die Beschaf­fen­heit der Böden.

In den 1980er Jahren konnten so nur noch drei isolierte Vor­kom­men im Rahmen von Kartie­run­gen im Kreis Soest fest­ge­stellt wer­den. Lange Jahre ge­riet die Knob­lauch­kröte in Verges­sen­heit. Anfang der 2010er Jahre machte sich der heimi­sche Biologe Peter Rinsche auf die Suche nach ihnen. Doch er konnte an den ehe­ma­ligen Fundstellen nur noch ein einzi­ges Vor­kom­men an der Roten Beeke west­lich von Lipp­stadt fest­stel­len. Ein Unter­wasser­mikrofon machte es ihm mög­lich, die nachts leise unter Was­ser rufen­den Tiere auf­zu­spüren. Bei Kontrol­len mit Keschern, bei denen Kaul­quap­pen ent­deckt wur­den, konnte er fest­stel­len, dass sich die Kröten­art auch ver­mehrt.

Um noch weitere Informationen über das Vor­kom­men an der Roten Beeke zu sam­meln, bauten heimi­sche Natur­schützer Amphibien­zäune auf. Der Zaun ver­sperrt den Kröten den Weg zum Laich­gewässer und in regel­mäßi­gen Abstän­den sind Eimer ein­ge­graben. Wenn die Tage wärmer werden, buddelt sich die Knob­lauch­kröte bei Dunkel­heit aus ihrer Winter­ruhe frei und wandert in Rich­tung ihres Laich­gewäs­sers.

Mit ihr wandern auch noch zahlreiche andere Frosch­lurche, von denen sie sich durch ihre glattere Haut und die senk­rechten Pupillen unter­scheidet.

Endstation ist für einige von ihnen der Eimer am Amphibien­zaun. Auf dem Weg zur Arbeit legt Biologin Sabine Reichel einen Stopp an eben diesem Zaun ein. Sie kontrolliert alle Eimer und zählt wie viele Knob­lauch­kröten sich dort hinein ver­irrt haben. Die erfass­ten Daten geben Auf­schluss darüber, wie groß die vorhan­dene Popula­tion noch ist.

In den ersten Jahren wurden einzelne Knob­lauch­kröten, die in den Eimern gelan­det sind, in eine spezielle Aufzucht­station des NABU in Enninger im Münster­land ge­bracht. Dort soll­ten sie ihrem Laich­geschäft nach­gehen und viele Nach­kom­men unter optima­len Bedin­gun­gen gewähr­leisten. Mittler­weile lebt dort schon die zweite Genera­tion von Kröten, die wiederum für Nach­wuchs sorgt. Aufge­baut wurde die Auf­zucht­station von Michael Bisping und Franz Kraskes. Mit viel Engage­ment unter­stützen sie die Zucht und Aufzucht der Tiere für die Ansied­lun­gen. Im Rahmen des IP-LIFE "Atlanti­sche Sand­land­schaf­ten" wurde die NABU-Natur­schutz­station Münster­land beauf­tragt, Ansied­lungen in ganz NRW durch­zu­führen, so auch ent­lang der Lippe. Kraskes holt die nachts in Eimern gefan­ge­nen Alt­tiere aus den Groß-Terrarien. Dann werden sie nach Geschlech­tern sor­tiert.

In einer Art Wintergarten haben Kraskes und Bispingen den Tieren ein wohli­ges Umfeld ge­schaf­fen. Angenehme Wasser­tempera­turen und ent­sprechende Wasser­becken-Innen­einrich­tungen sollen die Knob­lauch­kröten gleich in Stim­mung bringen. Und das funktio­niert. Die Männ­chen be­gin­nen gleich mit dem Um­werben.

Das Ergebnis dieser intensiven Vor­berei­tun­gen zeigt sich in der Nacht: Die Knob­lauch­kröten sind intensiv in das Laich­geschehen ein­ge­bun­den und sie las­sen sich bis zum nächs­ten Morgen Zeit. Nun set­zen mehrere Weib­chen die gallerti­gen Ei­schnüre ab. Diese kön­nen weit­aus mehr als 1500 Eier um­fas­sen, aus denen schon nach weni­gen Tagen Kaul­quap­pen schlüp­fen wer­den. Die Voraus­setzun­gen für das Gelin­gen dieses Projek­tes schei­nen also gut zu sein.

Ein paar Wochen später, es ist jetzt Juni, sind die Kaul­quap­pen bereits deut­lich ge­wach­sen. In den Becken der Aufzucht­station herr­schen per­fekte Bedin­gun­gen: höhere Tempera­turen, genü­gend Nah­rung und die Abwesen­heit von Feinden, sor­gen für eine präch­tige Ent­wick­lung. Ebenso das Auf­teilen der älteren Kaul­quappen auf verschie­dene Becken. Wie lange es dauert, bis aus ihnen kleine Kröten ge­wor­den sind, hängt von der Witte­rung ab.

Die hier gezüchteten Tiere werden jetzt in die Lippe-Aue ge­bracht, wo sie einer­seits die Quell­popula­tion der Roten Beeke stüt­zen sol­len und zum ande­ren wer­den Tiere in ein neues Gebiet in Sand­acker ge­bracht, wo eine neue Popula­tion aufge­baut wer­den soll. Das Gewäs­ser wurde hier neu ange­legt und opti­miert und pro Jahr züch­ten wir so zwi­schen 8.000 bis 10.000 Tiere, die in die Natur ge­bracht wer­den.

Doch bevor die Kaulquappen voll­ständig zur fertigen Kröten aus­ge­wach­sen sind, werden sie hier aus­ge­setzt. In diesem Entwick­lungs­zustand findet voraus­sicht­lich noch eine Prägung auf das Aussetz­gewäs­ser statt, so dass sie dieses als erwach­sene Tiere zur Fort­pflan­zung hof­fent­lich wie­der auf­suchen.

In den Jahren 2016 bis 2021 wurden im Rahmen des Integrier­ten Life-Projek­tes in sieben Regionen in Nordrhein-Westfalen mehr als 40.000 Kaul­quappen aus der Zucht­station in geeig­neten Gewäs­sern ausge­setzt. Einen Schwer­punkt stellte dabei die Lippe­aue im Kreis Soest dar. Mehr als 10 Laich­gewässer wur­den hier durch das Projekt für die Knob­lauch­kröte neu ange­legt oder opti­miert sowie geeigne­ter Land­lebens­raum ent­wickelt.

Doch einfach so funktioniert das mit dem Aus­setzen natür­lich nicht. Dies musste zuvor gut ge­plant wer­den. Hendrik Wulff von der ABU Soest war unter ande­rem in die Planung der Maß­nah­men im Rahmen des IP-LIFE-Projekts einge­bun­den. Bei der Lippe ist es so, dass bei der Roten Beeke west­lich von Lippstadt schon vor 2019 eine Popula­tion nach­ge­wie­sen wurde und dann hat man sich über­legt, kann man ganz gut die Lippe ab­wärts bis Rich­tung Hamm Tritt­stein­biotope ein­bauen, welche dann eine Aus­brei­tung der Popula­tion und auch eine Neu­ansied­lung ermög­lichen.

Wir haben für die Knoblauchkröte soge­nannte Tritt­stein­biotope ge­sucht und sind davon aus­ge­gangen, dass da, wo sie in Lippstadt vor­kommt, wohl ein geeig­ne­ter güns­ti­ger Lebens­raum­typ ist und das haben wir ent­lang der Lippe ge­sucht. Und dann gab es einen unerwar­te­tes, erfreu­liches Zusam­men­tref­fen mit der Fami­lie Baumhoer, die ihren Grund und Boden hier zur Verfü­gung ge­stellt haben. Das Projekt passt zu dem Prinzip der ganz­heit­lichen Hof­bewirt­schaf­tung, dass die Fami­lie auf dem Gelände lebt. "Wir waren eh in der Situa­tion, dass wir das hier neu gestal­ten müs­sen und ja, dann war die Fest­stel­lung, dass hier Sand­boden ist und das Angebot hier diesen Teich anzu­legen. So bietet sich hier natür­lich in diesem Auen­wald noch­mal mehr Viel­falt für Tiere und Pflan­zen."

Im August 2021 war es soweit: Medienwirksam wurden die frisch ent­wickel­ten Knob­lauch­kröten in dem neu ange­leg­ten Teich aus­ge­setzt. Ja wir haben ja ein Arten­schutz­gewässer ange­legt für die Knob­lauch­kröte, und zwar des­halb, weil die Knob­lauch­kröte auf europä­ischer Ebene eine streng ge­schützte Art ist. Also von Rechts­wegen haben wir als Land Nordrhein-Westfalen schon die Ver­pflich­tung, diese Art zu schüt­zen und ihren Haltungs­zustand zu ver­bes­sern.

Nun bleibt zu hoffen, dass dieses Gewässer in den kommen­den Jahren von den erwach­se­nen Tieren zum Ab­laichen wie­der ange­wandert wird. Andere Gebiete, die in den vergan­ge­nen Jahren in der Lippe­aue zwischen Lippstadt und Hamm ent­stan­den sind, wurden eben­falls in den letz­ten drei Jah­ren mit Kaul­quappen be­füllt.

Diese wurden 2021 im Rahmen eines sogenann­ten Moni­torings kon­trol­liert. An allen Aus­setzungs­orten konnte eine Anwande­rung von fort­pflanzungs­fähigen Alt­tieren am Kontroll­zaun ver­zeich­net wer­den. Ein voller Erfolg für alle Betei­lig­ten, der auch gerne das Inte­r­esse eini­ger Passan­ten fin­det.

Ich denke das war ein ganz ganz wichti­ger Schritt erst­mal von einer kleinen Popula­tion, die wir ja noch hat­ten, die Aus­brei­tung zu för­dern. Aber wir wür­den eigent­lich gerne noch weiter­machen, weil doch die Tritt­steine, die jetzt da sind, doch relativ weit noch vonein­ander ent­fernt sind und ja das Poten­tial auch Rich­tung Hamm noch gege­ben ist, so dass man eigent­lich noch wei­tere Gewäs­ser an­legen oder vorhan­dene nut­zen kann, um die Tritt­steine enger mit­ein­ander zu ver­bin­den. Mit den Renatu­rie­run­gen an der Lippe und seine Neben­gewäs­sern werden inzwi­schen umfang­reiche Maß­nah­men umge­setzt. Diese sollen den Charak­ter der ursprüng­li­chen Fließ­gewässer­land­schaft wieder­herstel­len. Das gibt ehema­li­gen Aue-Bewohnern wie der Knob­lauch­kröte die nach­halti­gen Lebens­voraus­setzun­gen zurück, die sie benö­ti­gen.
Eine Chance für die Knoblauchkröte.

Film und Audio-Kommentar: Peter Rinsche und ↗518 collective


Ein weiterer Naturfilm zeigt die Pflanzen- und Tier­welt der ab 1996 renatu­rier­ten Lippe-Aue.
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