In Deutschland sind 20 Amphibien-Arten heimisch, davon 7 Frosch-, 5 Kröten-, 2 Unken-, 4 Molch- und 2 Salamander-Arten. Den meisten Leuten sind nur der Laubfrosch, die Erdkröte und der Feuersalamander bekannt, weil diese weit verbreitet sind bzw. waren. Sie stehen unter Artenschutz: Das Bundesnaturschutzgesetz trat 1976 in Kraft; die Rote Liste gefährdeter Arten wurde 1977 eingeführt.
Eine streng geschützte Art ist die Knoblauchkröte. Sie heißt so, weil sie bei Gefahr ein Sekret absondert, das nach Knoblauch riecht. Ungewöhnlich ist auch, dass das kleine Tier versucht, sich mit Kopfstößen zu verteidigen. Die Knoblauchkröte wird nur bis zu 8 cm groß und gräbt sich tagsüber unter der Erde ein. Erst nachts kommt sie hervor und geht auf die Suche nach Käfern, Larven, Würmern und Schnecken.Deshalb ist sie nun in den Fokus der heimischen Naturschutzbemühungen gerückt. Das von der Europäischen Union geförderte Integrierte Life-Projekt "Atlantische Sandlandschaften" unterstützt die Lebensraum-Optimierung, Zucht und Wiederansiedlung für diese Art.
Senkrechte Pupillen, rundliches Maul, auffallende Grabschaufeln - daran erkennt man die Knoblauchkröte. Den Namen hat sie einem nach Knoblauch riechendem Sekret zu verdanken, das sie bei Gefahr absondert. Zu Gesicht bekommt man die Knoblauchkröte nur ganz selten: sie ist nachtaktiv und gräbt sich normalerweise gut einen halben Meter in die Erde ein. Deshalb fühlt sie sich auch in den lockeren Böden an der Lippe so wohl.
Einst lebte die Knoblauchkröte jedoch in den östlichen Steppenregionen. Erst nach der Eiszeit wanderte sie Richtung Westen und besiedelte weite Gebiete Europas, so auch Westfalen. Die Knoblauchkröte war früher in Nordrhein-Westfalen in den Sandgebieten verbreitet, überwiegend in den Sandplatten im Norden des Landes oder sonst halt in den Flussauen von Ems und Lippe, weil da gab es grabfähige Böden.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte verschwand die Art aber auch in Westfalen zunehmend, da ihr der Lebensraum genommen wurde. Die für sie notwendigen Kleingewässer wurden zerstört. Chemieeinsatz und intensive Bodenbearbeitung veränderten die Beschaffenheit der Böden.
In den 1980er Jahren konnten so nur noch drei isolierte Vorkommen im Rahmen von Kartierungen im Kreis Soest festgestellt werden. Lange Jahre geriet die Knoblauchkröte in Vergessenheit. Anfang der 2010er Jahre machte sich der heimische Biologe Peter Rinsche auf die Suche nach ihnen. Doch er konnte an den ehemaligen Fundstellen nur noch ein einziges Vorkommen an der Roten Beeke westlich von Lippstadt feststellen. Ein Unterwassermikrofon machte es ihm möglich, die nachts leise unter Wasser rufenden Tiere aufzuspüren. Bei Kontrollen mit Keschern, bei denen Kaulquappen entdeckt wurden, konnte er feststellen, dass sich die Krötenart auch vermehrt.
Um noch weitere Informationen über das Vorkommen an der Roten Beeke zu sammeln, bauten heimische Naturschützer Amphibienzäune auf. Der Zaun versperrt den Kröten den Weg zum Laichgewässer und in regelmäßigen Abständen sind Eimer eingegraben. Wenn die Tage wärmer werden, buddelt sich die Knoblauchkröte bei Dunkelheit aus ihrer Winterruhe frei und wandert in Richtung ihres Laichgewässers.
Mit ihr wandern auch noch zahlreiche andere Froschlurche, von denen sie sich durch ihre glattere Haut und die senkrechten Pupillen unterscheidet.
Endstation ist für einige von ihnen der Eimer am Amphibienzaun. Auf dem Weg zur Arbeit legt Biologin Sabine Reichel einen Stopp an eben diesem Zaun ein. Sie kontrolliert alle Eimer und zählt wie viele Knoblauchkröten sich dort hinein verirrt haben. Die erfassten Daten geben Aufschluss darüber, wie groß die vorhandene Population noch ist.
In den ersten Jahren wurden einzelne Knoblauchkröten, die in den Eimern gelandet sind, in eine spezielle Aufzuchtstation des NABU in Enninger im Münsterland gebracht. Dort sollten sie ihrem Laichgeschäft nachgehen und viele Nachkommen unter optimalen Bedingungen gewährleisten. Mittlerweile lebt dort schon die zweite Generation von Kröten, die wiederum für Nachwuchs sorgt. Aufgebaut wurde die Aufzuchtstation von Michael Bisping und Franz Kraskes. Mit viel Engagement unterstützen sie die Zucht und Aufzucht der Tiere für die Ansiedlungen. Im Rahmen des IP-LIFE "Atlantische Sandlandschaften" wurde die NABU-Naturschutzstation Münsterland beauftragt, Ansiedlungen in ganz NRW durchzuführen, so auch entlang der Lippe. Kraskes holt die nachts in Eimern gefangenen Alttiere aus den Groß-Terrarien. Dann werden sie nach Geschlechtern sortiert.
In einer Art Wintergarten haben Kraskes und Bispingen den Tieren ein wohliges Umfeld geschaffen. Angenehme Wassertemperaturen und entsprechende Wasserbecken-Inneneinrichtungen sollen die Knoblauchkröten gleich in Stimmung bringen. Und das funktioniert. Die Männchen beginnen gleich mit dem Umwerben.
Das Ergebnis dieser intensiven Vorbereitungen zeigt sich in der Nacht: Die Knoblauchkröten sind intensiv in das Laichgeschehen eingebunden und sie lassen sich bis zum nächsten Morgen Zeit. Nun setzen mehrere Weibchen die gallertigen Eischnüre ab. Diese können weitaus mehr als 1500 Eier umfassen, aus denen schon nach wenigen Tagen Kaulquappen schlüpfen werden. Die Voraussetzungen für das Gelingen dieses Projektes scheinen also gut zu sein.
Ein paar Wochen später, es ist jetzt Juni, sind die Kaulquappen bereits deutlich gewachsen. In den Becken der Aufzuchtstation herrschen perfekte Bedingungen: höhere Temperaturen, genügend Nahrung und die Abwesenheit von Feinden, sorgen für eine prächtige Entwicklung. Ebenso das Aufteilen der älteren Kaulquappen auf verschiedene Becken. Wie lange es dauert, bis aus ihnen kleine Kröten geworden sind, hängt von der Witterung ab.
Die hier gezüchteten Tiere werden jetzt in die Lippe-Aue gebracht, wo sie einerseits die Quellpopulation der Roten Beeke stützen sollen und zum anderen werden Tiere in ein neues Gebiet in Sandacker gebracht, wo eine neue Population aufgebaut werden soll. Das Gewässer wurde hier neu angelegt und optimiert und pro Jahr züchten wir so zwischen 8.000 bis 10.000 Tiere, die in die Natur gebracht werden.
Doch bevor die Kaulquappen vollständig zur fertigen Kröten ausgewachsen sind, werden sie hier ausgesetzt. In diesem Entwicklungszustand findet voraussichtlich noch eine Prägung auf das Aussetzgewässer statt, so dass sie dieses als erwachsene Tiere zur Fortpflanzung hoffentlich wieder aufsuchen.
In den Jahren 2016 bis 2021 wurden im Rahmen des Integrierten Life-Projektes in sieben Regionen in Nordrhein-Westfalen mehr als 40.000 Kaulquappen aus der Zuchtstation in geeigneten Gewässern ausgesetzt. Einen Schwerpunkt stellte dabei die Lippeaue im Kreis Soest dar. Mehr als 10 Laichgewässer wurden hier durch das Projekt für die Knoblauchkröte neu angelegt oder optimiert sowie geeigneter Landlebensraum entwickelt.
Doch einfach so funktioniert das mit dem Aussetzen natürlich nicht. Dies musste zuvor gut geplant werden. Hendrik Wulff von der ABU Soest war unter anderem in die Planung der Maßnahmen im Rahmen des IP-LIFE-Projekts eingebunden. Bei der Lippe ist es so, dass bei der Roten Beeke westlich von Lippstadt schon vor 2019 eine Population nachgewiesen wurde und dann hat man sich überlegt, kann man ganz gut die Lippe abwärts bis Richtung Hamm Trittsteinbiotope einbauen, welche dann eine Ausbreitung der Population und auch eine Neuansiedlung ermöglichen.
Wir haben für die Knoblauchkröte sogenannte Trittsteinbiotope gesucht und sind davon ausgegangen, dass da, wo sie in Lippstadt vorkommt, wohl ein geeigneter günstiger Lebensraumtyp ist und das haben wir entlang der Lippe gesucht. Und dann gab es einen unerwartetes, erfreuliches Zusammentreffen mit der Familie Baumhoer, die ihren Grund und Boden hier zur Verfügung gestellt haben. Das Projekt passt zu dem Prinzip der ganzheitlichen Hofbewirtschaftung, dass die Familie auf dem Gelände lebt. "Wir waren eh in der Situation, dass wir das hier neu gestalten müssen und ja, dann war die Feststellung, dass hier Sandboden ist und das Angebot hier diesen Teich anzulegen. So bietet sich hier natürlich in diesem Auenwald nochmal mehr Vielfalt für Tiere und Pflanzen."
Im August 2021 war es soweit: Medienwirksam wurden die frisch entwickelten Knoblauchkröten in dem neu angelegten Teich ausgesetzt. Ja wir haben ja ein Artenschutzgewässer angelegt für die Knoblauchkröte, und zwar deshalb, weil die Knoblauchkröte auf europäischer Ebene eine streng geschützte Art ist. Also von Rechtswegen haben wir als Land Nordrhein-Westfalen schon die Verpflichtung, diese Art zu schützen und ihren Haltungszustand zu verbessern.
Nun bleibt zu hoffen, dass dieses Gewässer in den kommenden Jahren von den erwachsenen Tieren zum Ablaichen wieder angewandert wird. Andere Gebiete, die in den vergangenen Jahren in der Lippeaue zwischen Lippstadt und Hamm entstanden sind, wurden ebenfalls in den letzten drei Jahren mit Kaulquappen befüllt.
Diese wurden 2021 im Rahmen eines sogenannten Monitorings kontrolliert. An allen Aussetzungsorten konnte eine Anwanderung von fortpflanzungsfähigen Alttieren am Kontrollzaun verzeichnet werden. Ein voller Erfolg für alle Beteiligten, der auch gerne das Interesse einiger Passanten findet.
Ich denke das war ein ganz ganz wichtiger Schritt erstmal von einer kleinen Population, die wir ja noch hatten, die Ausbreitung zu fördern. Aber wir würden eigentlich gerne noch weitermachen, weil doch die Trittsteine, die jetzt da sind, doch relativ weit noch voneinander entfernt sind und ja das Potential auch Richtung Hamm noch gegeben ist, so dass man eigentlich noch weitere Gewässer anlegen oder vorhandene nutzen kann, um die Trittsteine enger miteinander zu verbinden. Mit den Renaturierungen an der Lippe und seine Nebengewässern werden inzwischen umfangreiche Maßnahmen umgesetzt. Diese sollen den Charakter der ursprünglichen Fließgewässerlandschaft wiederherstellen. Das gibt ehemaligen Aue-Bewohnern wie der Knoblauchkröte die nachhaltigen Lebensvoraussetzungen zurück, die sie benötigen.