Zurück  •  Startseite Historisches Lippstadt  •  Impressum & Datenschutz
Landkarte der Westfälischen Bucht
Westfälische Bucht, topografische Karte
Münster 60 m
Lippstadt 80 m
Anröchte 200 m
Uelde 300 m
Winterberg 600 m

Grob gerundete Höhenangaben in Metern über Normalhöhennull. Landkarte aus Daten von OpenStreetMap.


 
Am südlichen Rand der Westfä­lischen Bucht

Dass es am Hellweg natür­liche Sole­quellen gab, dass es zwi­schen Beckum und Geseke die höch­ste Dichte an Zement­werken gibt und dass man hier Fos­si­lien von Meeres­tieren fin­den kann, liegt an der Lage in der West­fä­li­schen Bucht, auch Münster­länder Kreide­becken ge­nannt. Das Becken wird nach Süden durch den Haar­strang und das Rot­haar­gebirge (Sauer­land) be­grenzt.

1. ↓ Die Haar
2. ↓ Zement und Anröchter Stein
3. ↓ Sole in Walibo und Westernkotten

Die Haar

Mir war bisher gar nicht klar, mit welchen Höhen­unter­schie­den man es zu tun hat, wenn man z.B. das Münster­land, Lipp­stadt und Anröchte mit­ein­ander ver­gleicht. Ich wusste bis­her nur, dass das Münster­land ziem­lich plattes Land ist und dass man als Auto­fahrer etwas mehr Gas geben muss, wenn man von Erwitte nach An­röchte hoch­fährt.

Der Haarstrang oder die Haar ist ein Höhen­zug, den man bei klarer Sicht von Lipp­stadt aus im Süden sehen kann. Anröchte liegt am Nord­rand des Haar­strangs. Der Name „Haar“ ist vom Be­griff „Hardt“ ab­ge­lei­tet, der einen Berg­wald meint. Man findet den Namen „Haar“ auch im Rot­haar­gebirge, was nichts mit roter Haar­farbe zu tun hat, son­dern „Gerodeter Bergwald“-Gebirge be­deutet.
Die Haar war das natür­li­che Boll­werk, das in der vor­letz­ten großen Eis­zeit die Aus­brei­tung der von Norden kom­men­den Gletscher stoppte (Saale-Eis­zeit vor rund 200.000 Jah­ren).

Die Regionen an Nordsee und Ostsee liegen unge­fähr auf Meeres­spiegel­höhe. Früher nannte man es Normal­null (NN) mit regio­nalen Be­zügen z.B. zum Pegel „Ham­burger Null“. Heute heißt es Normal­höhen­null (NHN) mit dem Bezugs-Pegel Amster­dam.
In Deutschland steigt die Höhe nach Süden hin an, aber in Nord­deutsch­land fin­det man zu­nächst nur einen leich­ten An­stieg. Auf der ganzen Strecke von der Nord­see bis nach Münster (Luft­linie 150 km) steigt die durch­schnitt­liche Höhe nur um rund 60 Me­ter. Einen ähn­li­chen Höhen­unter­schied hat man inner­halb von Anröchte schon auf dem Weg zur näch­sten Bäcke­rei.

Obwohl Lippstadt und Anröchte nur 11 km Luft­linie von­ein­ander ent­fernt sind, ist der Höhen­unter­schied doch inte­res­sant. Wenn man sich mal theore­tisch vor­stellt, dass die West­fä­li­sche Bucht von einem Meer über­schwemmt wer­den würde, und zwar so hoch, dass Lipp­stadt 100 m unter dem Was­ser­spiegel ver­sun­ken und somit für Sport­taucher nicht mehr er­reich­bar wäre, könnte man in Anröchte trocke­nen Fußes den Sonnen­unter­gang über der Bucht ge­nießen.

Und tatsächlich war das heutige Münster­land schon drei­mal von einem Meer be­deckt ...


Bildung von Sediment­gestein im Ur-Meer

Das Münsterland war schon drei­mal von einem Meer be­deckt: zum ersten Mal vor rund 400 Mil­lio­nen Jah­ren (Devon), zum zwei­ten Mal vor 250 Mil­lio­nen Jah­ren (Perm) und zum drit­ten Mal vor 100 Mil­lio­nen Jah­ren (Ober­kreide).
Am dama­li­gen Meeres­boden lager­ten sich Sedi­mente ab, aus denen u.a. Ge­steins-, Gips- und Salz-Schichten ent­stan­den. Das Münster­länder Becken ist das größte zusam­men­hän­gende Sedi­ment­becken Deutsch­lands.

Am Meeresboden gibt es verschie­dene Arten von Sedi­men­ten:
1. die Ansammlung von Trümmer­stein­chen und minera­li­schen Par­ti­keln;
2. Ausfällung von gelösten Salzen (Karbo­nate) durch Über­sät­ti­gung oder chemi­sche Reak­tio­nen;
3. Reste von lebenden Organis­men, z.B. Kalk-Skelette von Algen.
Algen beeinflussen auch Punkt 2, denn durch Photo­syn­these wird dem Was­ser Kohlen­dioxid ent­zogen und da­durch rea­gie­ren Kalzium-Ionen und fal­len als Calcium­carbonat aus. Zudem gibt es auch kalk­abschei­dende Algen und Bakte­rien.

Die Schichten aus dem ersten Ur-Meer be­finden sich heute in über 5 km Tiefe und sind für uns un­er­reich­bar. Die Sedi­mente des letz­ten Meeres fin­den wir heute als Kalk­stein (Abbau z.B. in Beckum, Erwitte und Geseke) und in den Rand­lagen als Sand­stein. Kalkstein be­steht über­wie­gend aus zusam­men­gepress­ten Kalk-Skelet­ten von Algen, hin­gegen be­steht Sand­stein über­wie­gend aus natür­lich zemen­tier­tem Sand.

Anröchter Stein

Der uns namentlich bekannte „Anröchter Grün­sand­stein“ er­füllt eigent­lich nicht die Defi­ni­tion von Sand­stein, da er zu wenig Sand ent­hält. Des­halb wird diese Gesteins­sorte heute ein­fach „Anröch­ter Stein“ ge­nannt, der einen An­teil von rund 20% des Minerals Glau­konit ent­hält, das den Stein bläu­lich und grün­lich färbt. Die Anröch­ter Stein­bänke haben sich vor 90 Mil­lio­nen Jah­ren ab­ge­lagert und er­rei­chen eine Mächtig­keit von je­weils zwei Metern. Der Stein wird heute aus zwei Lagen ab­ge­baut, wo­bei die obere Bank blau und die untere grün ge­färbt ist. Vor allem der grüne Stein ist ge­fragt.

Der bereits natür­lich zemen­tierte (Sand)Stein kann di­rekt als Natur­stein zum Bauen ver­wen­det wer­den, ent­weder als grob­förmi­ger Bruch­stein, also so wie er aus einem Stein­bruch heraus­ge­brochen wurde, oder als Werk­stein (Natur­werk­stein), d.h. mit hand­werk­lich bear­bei­te­ten, glat­ten Flä­chen.

Seit dem Mittelalter wurden et­liche Kirchen in unse­rer Re­gion aus Anröch­ter und Soester Grün­stein er­baut. In Soest wird heute kein Stein mehr ge­bro­chen, da er witterungs­anfäl­liger ist als der Anröch­ter Stein.

Logo des Steinmuseums Im ↗Anröchter Stein-Museum fin­den sich auch et­li­che Fossi­lien, z.B. ver­stei­nerte See­igel, Ammoni­ten (einer mit über einem Meter Durch­mes­ser) und kleine Frag­mente eines Schwimm-Sauriers WikipediaPolypty­chodon, der eben­falls in An­röchte ge­fun­den wurde.

Zement

Natürlicher Kalkstein ist brüchig und kann des­halb nicht gut zum Bauen ver­wen­det wer­den, aber er kann wegen seines hohen Ge­halts an Calcium­carbonat (kohlen­saurer Kalk) als Mehl zur Kalkung von Böden ge­nutzt und von der Zement­indus­trie zu Zement ver­ar­bei­tet wer­den.

Bei der Herstellung von Beton (aus Zement, Sand und Kies) wird im Grunde eine ähn­liche Mischung und ein chemi­scher Pro­zess er­zeugt, der bei der Bil­dung von Sand­stein auf natür­liche Weise zu­fäl­lig ge­sche­hen war.
Der ge­zielt als Bau­material her­ge­stellte Beton hat meh­rere Vor­teile: man ist nicht auf natür­liche Vor­kom­men von Fest­gestein an­ge­wie­sen, man kann Beton in jede Form gie­ßen, er ist fester als Sand­stein und er ist in Ver­bin­dung mit Stahl viel be­last­ba­rer.
Ein Nach­teil ist, dass bei der Zement­herstel­lung sehr viel Ener­gie ver­braucht wird und dass die Zement­indus­trie des­halb ein gro­ßer CO2-Emit­tent ist. Bei der Her­stel­lung von 1000 kg Ze­ment wer­den rund 600 kg CO2-Äqui­va­lente aus­ge­sto­ßen.

Die Zementwerke in Ennigerloh, Beckum, Erwitte, Geseke und Pader­born bil­den die dich­teste An­sied­lung von Zement­werken in Deut­schland.



Salz und Sole

Immer wenn der Meeresspiegel eines Ur-Ozeans fiel, kon­zen­trier­ten sich im Rand­bereich die ge­lösten Minera­lien, die dann durch Über­sät­ti­gung aus­fal­len. Als erstes fällt Calcium­carbonat aus, das sich als Kalk ab­setzt, wie be­reits oben be­schrie­ben. Als zweites setzt sich Calcium­sulfat ab und bil­det eine Gips-Schicht. Bei weite­rer Sät­ti­gung setzt sich Natrium­chlorid als Salz-Schicht am Meeres­boden ab.

Bis in die letzten Jahrhun­derte trat das Salz in Form von natür­li­chen Sole­quellen zu Tage, ins­be­son­dere an den Rändern des Müns­ter­länder Beckens. Eine für uns histo­risch bedeu­tende Reihe von natür­li­chen Sole­quellen be­fand sich am Hell­weg, welche die Sole für die Salinen in Unna-Königs­born, Werl, Soest, Sassen­dorf, Western­kot­ten und Salz­kot­ten lie­fer­ten.

Die Salzgewinnung in Soest lässt sich bis ins 7. Jahr­hun­dert n.Chr. zurück­ver­fol­gen. Der West­fä­li­sche Hell­weg zählte zu den mitter­alter­lichen Salz­straßen und wurde zu einer wich­ti­gen Handels­route, auf dem neben Salz auch andere Waren trans­por­tiert wur­den: Acker­bau­produkte aus der frucht­baren Soester Börde sowie Eisen­waren aus dem Sauer­land, z.B. Messer und Scheren. Die Güter wur­den über Dort­mund und die Hanse ge­han­delt. Die frü­here Be­deu­tung lässt sich noch heute an der "1" in "B1" ab­le­sen, als Teil der ehe­ma­li­gen „Reichs­straße 1“, auf einer 2.000 Jah­re al­ten Han­dels­route zwi­schen Belgien und Russ­land.

Zurück zur Sole: Durch den Stein­kohle-Bergbau im Ruhr­gebiet wurde das Grund­wasser ge­senkt wurde (Sümpfung). Dadruch ver­sieg­ten die natür­li­chen Sole­quellen am Hell­weg von West nach Ost. Heut­zutage muss Sole des­halb durch Bohrun­gen ge­för­dert wer­den.

Saline in Bad Westernkotten: 2023 wurden För­der­gelder frei­ge­geben, um das „Gradier­werk I“ von 1835 im Kur­park von Western­kotten für über 3,7 Mil­lio­nen Euro zu sa­nie­ren. Ein Gradier­werk ist ein Holz­gerüst, ge­füllt mit Reisig, über das die Sole ver­rieselt wird. Durch Ver­duns­tung wird die Sole kon­zen­triert. Dabei lagern sich uner­wünschte Mine­rale wie Kalk, Gips und Eisen ab, was die Quali­tät der Sole er­höht. Anschlie­ßend wurde die Sole in einem Siede­haus ge­kocht. Die Salz­gewin­nung in Western­kotten wurde 1949 ein­ge­stellt. Das Gradier­werk I ist über 180 Jah­re alt und mit 120 m Länge eines der größ­ten in NRW. Es soll als Bau­denk­mal er­hal­ten wer­den, da es eine über­regio­nale Be­deu­tung für die Sozial- und Tech­nik­geschichte der vor­indus­tri­el­len Salz­gewin­nung hat.

Zu Heilzwecken wurde Sole in Bad Sassen­dorf erst­mals 1817 ver­wendet. 1852 wurden dort Holz­wannen zum Baden auf­ge­stellt. Ebenso in Western­kotten, wo 1842 eine private Sole­anstalt mit drei Bade­wannen ein­ge­rich­tet wurde.

Im erst 1904 gegründe­ten Bad Wald­lies­born wurde die Sole von An­fang an durch eine Boh­rung ge­för­dert. Eigent­lich hatte man bei einer vor­heri­gen Probe­bohrung ge­hofft, auf Stein­kohle zu tref­fen, aber es kam nur Salz­wasser hoch. Der Ham­bur­ger Unter­neh­mer Eich­holz wagte es dann, hier ein privat­wirt­schaft­li­ches Sole-Heil­bad zu er­rich­ten.
Stand 2023: Die Sole wurde zu­letzt aus zwei rund 900 m tie­fen Boh­run­gen ge­för­dert und ist dabei 38°C warm. Das einst größte Thermal­bad in der Re­gion musste je­doch im Sep­tem­ber 2023 aus bau­physi­kali­schen Grün­den ge­schlos­sen wer­den. Falls es in Walibo einen Neu­bau ge­ben wird, ist mit der Er­öff­nung nicht vor 2030 zu rech­nen.



Diese Seite wird in den näch­sten Tagen mit Infor­ma­tio­nen über das Rot­haar­gebirge er­gänzt.
Text: Jörg Rosenthal.
Bitte Kritik, Vorschläge u.ä. per E-Mail einsenden.
Zurück  •  nach oben  •  Startseite Historisches Lippstadt  •  Zum Newsletter anmelden