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Notgeld aus Lippstadt, circa 1917 bis 1923

Notgeld Ersatzzeichen
1 Pfennig, Reichsbank Lippstadt, vermutlich vor 1918


Notgeld Gutschein
50 Pfennig, Kreis Lippstadt, 16.12.1919   (vergrößern)


Notgeld Münze
10 Pfennig aus Aluminium, Notgeld 1921, Kreisverwaltung an der Spielplatzstraße


Gutschein
Hyperinflation 1923:  5 Millionen Mark Gutschein, Stadt Lippstadt, 14.08.1923


Gutschein
Zum Ende der Hyperinflation: 50 Milliarden Mark Gutschein der Stadt Lippstadt, 26.10.1923


Gutschein
Zum Ende der Hyperinflation: 500 Milliarden Mark Gutschein der Stadt Lippstadt, 30.10.1923



 
Inhalt:
↓ Ursprung des Geldes
↓ Banknoten
↓ Notgeld
↓ Hyperinflation


Der Ursprung des Geldes (Münzen)

Im Alltag des Mittel­alters waren noch Tausch­geschäfte (Natural­tausch) vor­herr­schend. Man tauschte z.B. Ge­treide ge­gen Gegen­stände oder ge­gen Vieh. Auch Ab­gaben (Steuern, Zehnt, Zins) wur­den in Natu­ra­lien be­zahlt. Das zu "Vieh" laut­glei­che engli­sche Wort "fee" be­zeich­net noch heute eine Gebühr.

Tauschhandel erscheint mir irgend­wie sym­pa­thisch, jedoch unter­liegt er in der Praxis er­heb­lichen Be­schrän­kungen: Es be­darf der doppel­ten Über­ein­stim­mung der Be­dürf­nisse, d.h. beide Tausch­partner müs­sen zu­fäl­lig genau das an­dere Tausch­objekt haben wollen. Zudem kann man manche Waren nur schlecht tei­len, ins­beson­dere ein leben­des Tier nicht, und Fertig­erzeug­nisse auch nicht. Außerdem kann man nur wenig an­sparen, denn Nah­rungs­mittel ver­der­ben und le­bende Tiere fres­sen einem die Haare vom Kopf.

Schon vor 5.000 Jahren, seit der frühen Bronze­zeit, sol­len im Mittel­meer­raum Klumpen aus Kupfer als Zah­lungs­mittel zum Ein­satz ge­kom­men sein. Diese WikipediaGuss­brocken waren un­för­mig und in belie­bi­ger Größe, denn ihr Wert wurde durch Wiegen be­mes­sen. Um den Wert zu teilen, konnte man ein Stück ab­schla­gen. Dies war später auch noch beim Hack­silber so. Die belie­bi­gen Metall­stücke (Wiege­geld) waren die Vor­läu­fer von Münzen mit ihrer fest­ge­leg­ten Größe und ein­heit­lichem Wert.

Im Laufe des Mittelalters er­schie­nen dann so viele ver­schie­dene ge­prägte Münzen, dass es mir nicht ge­lungen ist, mir einen Über­blick zu ver­schaf­fen. Wegen der regio­nal ver­schie­denen Größen, vari­ieren­der Silber­gehalte und unter­schied­lichen Ge­wichts­einhei­ten, stelle ich es mir zu­min­dest im Fern­handel als ein heil­loses Durch­ein­ander vor.

Das Kilogramm bzw. Gramm wurde erst ab 1799 als ein­heit­liche euro­pä­ische Ge­wichts­ein­heit ein­ge­führt. Des­halb war es 275 Jahre zuvor ein er­heb­licher Fort­schritt, als 1524 das Gewicht "feine Kölner Mark" im Heili­gen Römi­schen Reich Deut­scher Na­tion als offi­ziel­les Münz­gewicht fest­ge­legt wurde. Dies er­setzte zwar nicht die vie­len, regio­nal unter­schied­lichen Münzen, aber man konnte nun alle Münzen auf ein reichs­weit fest­ge­leg­tes Vergleichs-Gewicht um­rech­nen. Dabei musste der je­wei­lige Silber­gehalt mit sei­nen Kupfer-Beilegie­rungen be­rück­sich­tigt wer­den und dann er­hielt man eine Umrech­nungs­tabelle für die ver­schie­denen Münzen.

Banknoten (Papiergeld)

Münzen waren auch für Diebe eine tolle Sache. Wegen seines uni­ver­sel­len Werts war Geld auch für Taschen­diebe (Beutel­schnei­der) leich­ter hand­hab­bar als schwe­re Ge­trei­de­säcke, Fäs­ser, Vieh oder sons­tige (Hehler-)Ware.

Ab dem 16. Jahrhundert nahmen die ers­ten Banken (Privat­banken) und Juwe­liere Münz­geld in ihren Treso­ren in Ver­wah­rung. Für den Er­halt der Münzen wurde von der Bank eine hand­ge­schrie­bene Quit­tung aus­ge­stellt, die so­ge­nannte Banknote. Die Bank ver­pflich­tete sich, den auf ihrer Quit­tung ge­nann­ten Wert wie­der in Mün­zen aus­zu­zahlen. Ein Zusatz­nutzen: Wenn ein Ver­käufer der Echt­heit einer Bank­note ver­traute, konnte er sie als Zah­lungs­mittel akzep­tie­ren.

Die ersten Versuche von offiziel­lem Papier­geld in Schweden, Frank­reich und Deutsch­land schei­ter­ten ent­weder am Mangel an Ver­trauen oder weil die Ban­ken pleite gin­gen. Erst in den 1850er Jahren, mit der Indus­tria­li­sie­rung und dem zu­neh­men­den Handel, kam es zu einer wah­ren Grün­dungs­welle von Privat­noten­banken in Deutsch­land. Ab dann wur­den (pri­vate) Bank­noten in Deutsch­land all­ge­mein akzep­tiert.

Zu Anfang des Deutschen Kaiser­reichs (1871-1918) gab es sieben ver­schie­dene Landes­währungen z.B. Taler, Gulden, Kreuzer. 1876 wurde im ge­sam­ten Reichs­gebiet die Mark als Wäh­rung ein­ge­führt (nicht zu ver­wech­seln mit der Reichs­mark ab 1924). Die Mark von 1876 wird rück­blickend als Goldmark be­zeich­net, da ihr Wert zu 1/3 durch Gold ge­deckt war. Die Geld­scheine der Reichs­bank hat­ten Nomi­nale von 20 Mark, 50, 100 und 1000 Mark.

Der Wert blieb zunächst 20 Jahre lang ziem­lich stabil, bis 1896 ein merk­licher Preis­anstieg bei Lebens­mitteln ein­setzte. Die Ur­sachen für diese Infla­tion war die Zu­nahme an Buchgeld (einer Geld­schöpfung der Banken bei der Kredit­ver­gabe), das an keiner­lei Gold-Deckungs­vor­schriften ge­bun­den war, sowie Steuer­erhö­hun­gen und Preis­ab­spra­chen durch Kartelle.

Notgeld als Ersatz für Metall

Als die Bevölkerung im Juni 1914 ahnte, dass es zu einem Kriegs­aus­bruch kom­men würde, lie­ßen sich die Bürger ihre Bank­gut­haben in Gold- und Silber­münzen aus­zahlen und horte­ten sie zu­hause. Ab dem 13. Juli 1914 löste die Reichs­bank keine Mark-Banknoten mehr ein und am 4. Au­gust wurde die Ein­lösungs­pflicht für alle öffent­lichen Kassen auf­ge­hoben. Wer zu­hause noch Mün­zen hatte, be­hielt sie lieber. Wegen des Man­gels an Münz­geld bei den Ban­ken wur­den 1914/15 die ers­ten Not­geld­scheine im Nenn­wert von 50 Pfen­nig und 1 Mark aus­ge­geben.

Wegen des Rohstoffmangels wurden ab 1916 auch unedle Mün­zen knapp, d.h. Pfen­nig­münzen aus Eisen und Alu­mi­nium. Und ab Okto­ber 1918 kam es wegen der ab­seh­baren Kriegs­nieder­lage zu einer gene­rel­len Bar­geld­hortung der Be­völ­ke­rung.

Im Laufe der vier Kriegsjahre hatte die Mark zwar die Hälfte ihres Wertes ver­lo­ren, aber der Grund für die Aus­gabe von Not­geld war zu­nächst nur der Man­gel an in Um­lauf be­find­lichen Kleingeld-Münzen, die auch als Wechsel­geld be­nö­tigt wer­den. Das an­fäng­liche Not­geld hatte nur einen Nenn­wert im Pfennig-Bereich, z.B. 1, 5, 10 oder 50 Pfennig, selten mehr.

Die Notgeld-Scheine wurden nicht nur von Banken ge­druckt, son­dern auch von Städ­ten und Land­kreisen, manch­mal mit histo­ri­schen Stadt­motiven ver­ziert, die heute noch gern ge­sam­melt werden. Sogar Gast­wirte, Firmen und Ver­eine druck­ten Scheine, die zu­gleich als Wer­bung dien­ten. Beim Not­geld han­delt es sich recht­lich nicht um Geld, sondern um Gut­scheine.

Inflation und Hyperinflation

Frankreich finanzierte den Krieg, indem 1914 erst­mals eine Ein­kommen­steuer ein­ge­führt wurde. Deutsch­land finan­zierte den Krieg, indem der Staat sich Geld lieh und sich da­durch hoch ver­schul­dete (Staats­an­lei­hen, Kriegs­an­lei­hen). Nach­dem Deutsch­land ge­won­nen hätte, wollte man die Staats­schul­den durch ein­ge­nom­mene Repa­ra­tio­nen tilgen. Es kam aber anders.

Nach dem Ende des Ersten Welt­kriegs for­derte ins­beson­dere Frank­reich Repara­tionen von Deutsch­land, und zwar in großer Höhe. Natür­lich wollte man sich nicht mit Papier­geld oder Buch­geld zu­frie­den geben: 1919 soll­ten es 20 Mil­li­ar­den Gold­mark sein (7.000 Ton­nen Gold). Es war auch eine späte Rache für die 5 Mil­li­ar­den Francs (1.450 Ton­nen Fein­gold), die Frank­reich nach dem Deutsch-Franzö­si­schen Krieg von 1871 zahlen musste. 1920 for­der­ten die Alli­ierten sogar ins­ge­samt 269 Mil­li­ar­den Gold­mark von Deutsch­land, in 42 Jah­res­raten.

Schon während des Krieges hatten Deutsch­land und andere euro­pä­ische Län­der ihre Geld­mengen er­höht (bildlich: die Geld­druck­maschinen an­ge­kur­belt), um den Krieg zu fi­nan­zie­ren. Da­durch hatte die Wäh­rung, deren Gold­deckung ab­ge­schafft war und haupt­säch­lich nur noch als Papier­geld (Papier­mark) im Um­lauf war, immer mehr an Wert ver­lo­ren.
Nach dem Krieg ver­suchte die deut­sche Bevöl­ke­rung ihre Er­spar­nisse und Ein­künfte in sichere Sach­werte um­zu­wan­deln, d.h. die Nach­frage stieg. Die Produ­zen­ten er­höh­ten ihre Preise immer wei­ter, gleich­zei­tig traute man dem Geld nicht mehr. Es hat einen selbst­ver­stär­ken­den Effekt. Zudem wei­tete der deutsche Staat die Geld­menge immer mehr aus, um die Repa­ra­tionen finan­zie­ren zu können. Die Teue­rung be­gann zu galop­pie­ren, die schnelle und enorme In­fla­tion war nicht mehr auf­zu­hal­ten - die Infla­tions­rate stieg expo­nen­tiell. Die deut­sche Hyper­inflation von 1923 wurde zur größ­ten Geld­entwer­tung in einer Indus­trie­nation.

Beispiel Zeitungspreise:
Vor dem Ersten Weltkrieg war die Lipp­städ­ter Tages­zeitung "Der Patriot" im Abo für unter 1 Mark pro Mo­nat zu be­kom­men. Doch nach dem Kriegs­be­ginn von 1914 er­höhte die Zei­tung ihre Preise auf­grund der ein­set­zen­den Infla­tion um 15% pro Jahr.
Ab 1920 begann die Geld­entwer­tung zu galop­pie­ren, die Preise ver­viel­fach­ten sich: Am 01.01.1922 kos­tete Der Patriot 7 Mark pro Monat, am 01.12. schon 250 Mark. Im Februar 1923 waren es dann 1000 Mark pro Monat, im Au­gust 1.500 Mark pro Einzel­exemplar! Dann wurde es rich­tig irre: Am 03.10.1923 kos­tete ein Exem­plar 2 Millio­nen Mark, nur zwei Wochen spä­ter schon 15 Mil­lio­nen. Am 30.10.1923 dann 100 Mil­lio­nen, am näch­sten Tag 500 Mil­lio­nen Mark. Am 06.11.1923 zwei Mil­li­ar­den, zu­letzt 50 Mil­li­ar­den Mark pro Zeitung.

Die Hyperinflation wurde beendet, als am 15. Novem­ber 1923 die Renten­mark ein­ge­führt wurde. Der Wechsel­kurs zur Papier­mark wurde mit 1 Renten­mark zu 1 Bil­lion Papier­mark fest­ge­setzt. Die Renten­mark blieb wert­stabil, weil sie knapp­gehal­ten wurde. Es kamen nur 2,4 Mil­li­ar­den Renten­mark in Um­lauf. Die Infla­tion stopp­te des­halb schlag­artig. Trotz eini­gem poli­ti­schen Drucks wei­gerte sich der Reichs­bank­präsident, die Geld­menge nach­träg­lich zu er­höhen.

Weniger als ein Jahr später, am 30. Au­gust 1924, wurde die Reichs­mark zu­sätz­lich zur Renten­mark ein­ge­führt, mit dem Wech­sel­kurs 1:1 (ge­kop­pelt). Die Renten­mark war näm­lich als Über­gangs­währung nur ein privat­bank­liches Geld ohne Ho­heits­symbole, hin­gegen wurde die Reichs­mark das ge­setz­liche Zah­lungs­mittel. Die Renten­mark-Scheine und -Münzen blie­ben paral­lel zur Reichs­mark im Um­lauf, bis zur Ein­füh­rung der Deutschen Mark 1948.

Text: Jörg Rosenthal.
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