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Buch
Erschienen im Juli 2023


Buch: Lippstadt in der Revolution von 1848/49

Die Französische Revo­lution (1789-1799) ist den Meisten sicher­lich ein Be­griff. Aber die Deutsche Revo­lution, die 50 Jahre später statt­fand (1848/1849), ist weni­ger be­kannt.

Im Juli 2023 hat der Heimat­bund Lipp­stadt einen neuen Band der ↗„Lipp­städ­ter Spuren“ heraus­ge­ge­ben, in dem erst­mals zu­sam­men­hängend be­schrie­ben wird, was in der Zeit der Revo­lu­tion von 1848/49 im westfä­li­schen Lipp­stadt los war. Dazu hat der Histo­riker und Autor Dr. Wolf­gang Maron, der seit über 40 Jahren in Lipp­stadt lebt, rund 150 lokale und über­regio­nale Quel­len durch­fors­tet.

Da das Buch neu und verfüg­bar ist, möchte ich (Jörg Rosen­thal) hier keine Zu­sammen­fas­sung posten, aber ich kann im Fol­gen­den einen gro­ben Über­blick über jene Zeit nach mei­nem eige­nen Kennt­nis­stand wieder­geben ...

In der Mitte des 19. Jahr­hunderts gab es Deutsch­land noch nicht als Staat, statt­dessen gab es den WikipediaDeut­schen Bund (1815-1866), der aus rund 40 Staa­ten be­stand - je nach Zähl­weise und lau­fen­der Verän­de­rung durch Erb­teilung. Die größ­ten Staa­ten waren das König­reich Preußen (Westfalen war eine Pro­vinz von Preu­ßen; die Pro­vin­zen zäh­len hier­bei nicht ein­zeln), das König­reich Bayern und das Kaiser­reich Öster­reich.

Die restlichen ca. 37 Staa­ten des Deut­schen Bunds waren klei­nere König­reiche, Herzog­tümer und Fürsten­tümer, wie z.B. das Fürsten­tum Lippe (bis 1918). Daher das Schlag­wort der deut­schen "Klein­staate­rei", die schon 100 Jahre zu­vor seit der Früh­auf­klä­rung an­ge­pran­gert wurde.

Im feudalen Gefüge bil­det Lipp­stadt als Stadt einen interes­san­ten Sonder­fall: Wegen Kriegs­schulden der Lipper war Lipp­stadt seit 1445 nur noch zur Hälfte das Eigen­tum des Fürsten­tums Lippe, denn die an­dere Eigen­tums­hälfte war an den Grafen von Mark ver­pfän­det wor­den und wurde spä­ter an das König­reich Preu­ßen über­tra­gen (Samt­herr­schaft). Dies offen­bart auch einen As­pekt des Feudal­sys­tems seit dem Mittel­alter: Alles Land ist Eigen­tum des (je­wei­li­gen) Königs bzw. Fürs­ten, inklu­sive der Men­schen darauf.

Damit der König seine Macht in der Fläche durch­set­zen konnte, ver­lieh er Lände­reien an Vasallen (erb­liches Lehen), die dann die Macht lokal um­setz­ten. Daraus ent­stand der Adel als zwei­ter Stand. Für Bauern galt Schollen­zwang, d.h. ein Bauer hatte auf sei­nem ge­pach­te­ten Grund zu blei­ben und musste Leis­tun­gen für sei­nen Grund­herrn er­bringen.

Der König und alle edlen Lehns­männer ver­erbten ihre Rechte und An­sprüche an ihre Söhne weiter (Erb­monarchie). Wer nicht dem Adel an­ge­hörte, hatte prak­tisch keine Chance da hinein­zu­kommen. Der Kuchen war schon ab dem Früh­mittel­alter auf­ge­teilt worden.

Nach 1000 Jahren Feudalismus:
In den Vorjahren der Deutschen Revo­lu­tion war es zu Miss­ernten ge­kommen. Ab 1840 brei­tete sich ein Kartof­fel­pilz in Europa aus, der ab 1845 große Ernte­aus­fälle ver­ur­sachte. Im beson­ders betrof­fenen Irland star­ben 2,5 Mil­li­onen Menschen an Hunger, 1,5 Mil­li­onen flohen vor der Hungers­not ins­beson­dere nach Nord­amerika.

Zusätzlich zur Kartoffel­fäule kam es in Deutsch­land (genauer: in deut­schen Län­dern) 1846 zu einer Getreide-Miss­ernte, ver­ur­sacht durch Stark­regen im April und folgen­der Trocken­heit. Die Preise für Lebens­mittel stiegen teils auf das 3- bis 5-fache an. Der ganze Tages­lohn eines Ar­bei­ters reichte dann nur noch, um sich einen ein­zel­nen Laib Brot zu kau­fen. Die preu­ßische Regie­rung rea­gierte erst im fol­gen­den Jahr, als sie An­fang 1847 Ge­treide in Russ­land be­stellte. Doch das ge­lie­ferte Ge­treide war minder­wer­tig und als es im Stet­tiner Ha­fen an­kam, war es ver­dor­ben.

Das neue Buch des Lipp­städ­ter Heimat­bunds be­ginnt 1848 bei der prekä­ren Situa­tion des „ge­mei­nen Stan­des“. Von den rund 4.000 Ein­woh­nern Lipp­stadts zähl­ten nur 300 Haus­halte als Bürger, d.h. nur sie be­saßen Grund­stücke oder ein hohes Ein­kom­men. Als zu dieser Zeit der Hungers­nöte, die reichen Lipp­städ­ter Bürger einen Masken­ball ver­an­stal­ten woll­ten, ent­fachte sich die Wut der ver­arm­ten Ar­bei­ter und es kam zu Auf­stän­den - in Lipp­stadt und ande­ren­orts mit ähn­lichen Aus­lö­sern.

Die Arbeiter forder­ten an­ge­mes­sene Löhne und dass sie ihre Schafe (hoher Selbst­versor­gungs­anteil) wieder kosten­los auf Ge­mein­schafts­wiesen wei­den las­sen dür­fen (nörd­lich der Stadt, Mentzels­felde).
Aber es gab auch poli­ti­sche Strö­mun­gen, die die Ab­schaf­fung des Feudal­sys­tems for­der­ten. Aus den rund 40 Mo­nar­chien solle ein ge­ein­ter deut­scher Natio­nal­staat ent­ste­hen, der demo­kra­tisch re­giert wird.

Von dieser Vorstel­lung hiel­ten natür­lich nicht nur die Könige und Für­sten nichts, son­dern bis­hin zum Bürger­tum alle, die vom be­ste­hen­den Sys­tem profi­tier­ten, z.B. im Staats­dienst waren, über Be­sitz ver­füg­ten oder Posi­tio­nen inne hat­ten.
Schon seit 1815 gab es die „Hei­lige Alli­anz“, ein Monar­chien-Bünd­nis von Russ­land, Öster­reich und Preu­ßen, das sich auf das Gottes­gnaden­tum der Monar­chen be­rief und sich ge­gen­sei­ti­gen mi­li­tä­ri­schen Bei­stand zu­sicherte - gegen alle demo­kra­ti­schen, bür­ger­lichen und natio­nal­staat­lichen Um­wäl­zungen.
Die Aufstände der Deut­schen Revo­lu­tion wur­den 1849 von den Armeen des preu­ßi­schen Königs und des öster­reichi­schen Kaisers nieder­ge­schla­gen.

Aber die missglückte Deut­sche Revo­lu­tion hinter­ließ trotz­dem ihre Spuren: Es fanden erste Wahlen für ein Parla­ment statt, es kam zur WikipediaBauern­befreiung und die Presse­freiheit wurde ein­ge­führt. Deshalb wurde 1848 die Lipp­städ­ter Zei­tung „Der Patriot“ ge­grün­det, der die Idee von Natio­nal­staat und Demo­kra­tie unter­stützte. Damit waren die Patrio­ten da­mals poli­tisch links, da sie sich gegen das alt­ständisch-feudale Sys­tem wandten.

Radikale Demokraten wurden in Deutsch­land je­doch inhaf­tiert oder hin­ge­rich­tet. Deshalb kam es ab 1848 zu einer beispiel­losen Aus­wanderungs­welle, vor allem in die USA. Deshalb bilden die Deutsch- und die Irisch­stämmigen in den USA den größ­ten Ab­stammungs­anteil. Auch im „Patriot“ boten die Reede­reien ihre Über­fahr­ten an. Zu dieser Zeit soll auch die evan­ge­lische Ge­meinde namens ↗Lipp­stadt in Missouri ge­grün­det wor­den sein. Analog zur Bauern­befrei­ung in Deutsch­land setz­ten sich deut­sche Auswan­de­rer für das Ende der Sklave­rei in den USA ein (ab­ge­schafft 1865).

Mein Text enthält kaum Informa­tio­nen aus dem Text des neuen Buches. Wer sich also für die dama­li­gen Ereig­nisse in Lipp­stadt interes­siert, kann das Buch für 15€ im Stadt­archiv und in den Patriot-Geschäfts­stellen kaufen oder auf der Web­seite des Heimat­bunds Lipp­stadt be­stel­len.

Text: Jörg Rosenthal.
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